Die Jazzahead! ist die wohl wichtigste Jazzmesse der Welt. Ein solches Event, dreieinhalb Tage lang, mit mehr als 3200 Fachteilnehmern aus 61 Nationen, ausgerechnet in Bremen? Doch die Jazzahead! läuft seit 2006 reibungslos ab an der Weser. Nicht zuletzt die auf die Sekunde getakteten Konzerte des angeschlossenen Showcase-Festivals sind ein kleines Wunderwerk der Organisation. Hier präsentieren sich drei Abende und zwei Nachmittage lang vielversprechende, zumeist eher wenig bekannte KünstlerInnen.
Im Jahr 2019 hat man sich verstärkt auf die Fahnen geschrieben, Bands unter weiblicher Führung zu präsentieren. Am Freitag spielt das Trio von Naïssam Jalal. Die gebürtige Pariserin mit syrischen Eltern hat sich einem hypnotischen westlich-östlichem Jazz verschrieben, der dank der flirrenden Eleganz ihres brasilianischen Pianisten niemals zu schwermütig wird. Jalal singt und spielt die Querflöte sowie die persische Holzflöte Nay. In dieser sehr introspektiven Musik spielt selbst der Rhythmus‘ des Atems der Sängerin eine Rolle – meditative Klänge, bei denen man im Bremer Schlachthof einer Stecknadel beim Fallen zuhören könnte.
In dieser Hamburger Venue würden wir Naïssam Jalal gerne sehen: Birdland oder Fabrik.
Naïssam Jalas Konzert im Video
Am darauffolgenden Nachmittag ist an gleicher Stelle die deutsche Band Der Weise Panda zu Gast, ein Quartett, das mit Cellistin nun zum Quintett herangewachsen ist. Sängerin Maika Küster und Bassist Yannik Tiemann sind die Konstanten in der Gruppe, seitdem man sich vor sechs Jahren an in einer Jazzschule in Köln fand. Küster weiß mit Vokal-Experimenten a la Sidsel Endresen ebenso zu überzeugen wie mit einer intensiv souligen Performance, die sich bis hin zu einem furiosen Sprechgesang steigert. Die Sängerin singt auf deutsch und englisch, mit einer betörenden zusätzlichen Klangfarbe durch das Cello. Der „Panda“ steht für einen komplexen und doch unverkopften Singer/Songwriter-Jazz mit cineastischen, teils poppigen Momenten.
In dieser Hamburger Venue würden wir Der Weise Panda gerne sehen: Jazzlab oder Astra Stube.
Das Konzert von Der Weise Panda im Video
Samstag bei der „Overseas Night“ war das Musikprogramm merklich zugänglicher. Hier lag der Fokus auf Bands, die international gut vermarktbar erscheinen, wie der Party-Funk des 18jährigen Keyboarders Matthew Whitaker. Das 45-Minuten-Set von Isfar Sarabski am späten Samstagabend war beides: anspruchsvoll und ernsthaft, und gleichzeitig groovig und mitreißend. Der 29-Jährige kommt aus Aserbaidschan, einem zwischen der Türkei, Russland und dem Iran eingezwängten Land, das so schon immer den unterschiedlichsten kulturellen Einflüssen ausgesetzt war. Sarabski zeigt, wie virtuos er den traditionellen persisch-arabischen Mugham beherrscht, dazu passend ist ein Spieler der Langhalslaute Tar in seinem Quartett zu hören. Doch der Star des Abends ist der Leader: mit Leichtigkeit improvisiert Sarabski kurz zu Tschaikowskys „Schwanensee“, zitiert Coltrane und spielt zum Schluss einen gewaltig groovenden Blues, der das Schlachthof-Publikum von den Sitzen reißt. Wie das klingt? Nach der Power von GoGo Penguin und der lyrischen Sensibilität eines Brad Mehldau – diese Typen sind kommende Superstars.
In dieser Hamburger Venue würden wir Isfar Sarabski gerne sehen: Auf einer der großen Elbjazz-Bühnen.
Isfar Sarabskis Konzert im Video