Die Jazzahead! ist die wohl wichtigste Jazzmesse der Welt. Ein solches Event, dreieinhalb Tage lang, mit mehr als 3200 Fachteilnehmern aus 61 Nationen, ausgerechnet in Bremen? Doch die Jazzahead! läuft seit 2006 reibungslos ab an der Weser. Nicht zuletzt die auf die Sekunde getakteten Konzerte des angeschlossenen Showcase-Festivals sind ein kleines Wunderwerk der Organisation. Hier präsentieren sich drei Abende und zwei Nachmittage lang vielversprechende, zumeist eher wenig bekannte KünstlerInnen.
Dass Norwegen seit Jahrzehnten zur Speerspitze des innovativen, europäischen Jazz gehört, ist kein Geheimnis. Deswegen präsentiert sich das diesjährige Partnerland der Jazzahead! auch keinesfalls als Newcomer auf der Jazzlandkarte. Auch etablierte Stars wie Trygve Seim oder Mathias Eick und Legenden wie die Sängerin Karin Krog standen in Bremen auf der Bühne. Ein Highlight der „Norwegian Night“, bei der an einem Abend gleich acht Acts zu erleben waren, war die Band des Saxofonisten Karl Seglem. Die eisigen Weiten des Nordens, Gletscherzungen und gefrorene Fjorde, Polarlichter – Bilder, die beim Hören unweigerlich auftauchten, hervorgerufen von betörenden Geigen-Bordunquinten, treibendem Schlagzeug, grollendem Bass und nicht zuletzt von Karl Seglem selbst, der nicht nur auf dem Saxofon glänzte, sondern auch und vor allem auf seinem Bulkkehorn, dem er unwirkliche, faszinierende Sounds entlockte.
In dieser Hamburger Venue würden wir Karl Seglem gerne sehen: In der Fabrik oder unter dem Sternenhimmel von Planten un Blomen bei den Hamburg Jazz Open.
Weit aus dem Fenster lehnen muss man sich nicht, um zu behaupten, dass Janning Trumann der vielleicht beste deutsche Posaunist seiner Generation ist. Seine ersten musikalischen Schritte unternahm Janning hier in Hamburg an der HfMT und im Landesjugendjazzorchester – später hat er in Köln und auch in New York studiert. Inzwischen spielt er mit vielen europäischen Jazzgrößen zusammen. Dass technisch anspruchsvoller und unglaublich ausgecheckter Bebop-Modern Jazz einem noch immer den Atem verschlagen kann, beweist Trumann mit seinem Sextett bei der German Jazz Expo. Die meisten seiner Mitmusiker leben in Deutschland, kommen aber von anderswo her oder sind zumindest stark von etwa der New Yorker Szene beeinflusst. Besonders beeindruckend: die Harmonie und das Zusammenspiel von Janning Trumann und dem finnischen Trompeter Verneri Pohjola. Anschnallen und ab dafür!
In dieser Hamburger Venue würden wir Janning Trumann 6 gerne sehen: Heißer Kandidat für Fat Jazz – Urban Exchange oder die Jazz Federation im Stage Club.
Das Konzert von Janning Trumann 6 im Video
Bassisten sind schon lange nicht mehr nur die „Begleitmaschinen“ von Jazzbands. Von Australien aus hat Linda May Han Oh die Jazzwelt erobert. Zunächst als Sidewoman – und spätestens seit ihrem Auftritt bei der „Overseas Night“ auch als Bandleaderin und Komponistin. Rhythmisch brillant, vielschichtig und mit unglaublichen Bandkollegen präsentiert Linda May Han Oh packende Musik mit Tiefgang und lässt einen stellenweise mit offenem Mund staunend zurück. Dass sie auch singt, hätte man vorher als Fallhöhe oder Klippe befürchten können, doch das Gegenteil war der Fall. Oh hat eine leichte, feine Stimme, die sie mit nahezu perfekter Intonation mit ihrem Bassspiel und dem Rest ihrer Band zu verweben versteht. Ein unglaubliches Konzert, das Lust auf mehr von dieser Musik macht.
In dieser Hamburger Venue würden wir Linda May Han Oh gerne sehen: Das müssen viele Leute sehen und hören! Ein klarer Fall für die Elbphilharmonie oder die NDR Jazzkonzerte im Rolf-Liebermann Studio.