Es ist finster und klamm, als ich an diesem Sonntagabend zu meiner kleinen Entdeckungsreise aufbreche. So ist man es gewohnt, im Hamburger Herbst. Motivieren, mich auf mein Rad zu setzen um nach Altona zu radeln, tut es mich trotzdem nicht. Meine Freunde gucken ungläubig als ich sage, dass ich in die Kirche gehe. Aber Musik hat mich schon öfter zur Scheinheiligen werden lassen.
Vor der Sankt Petri Kirche ist es still. Ich lese den klein gedruckten DinA4-Zettel in dem Aufsteller vor dem Eingang, um sicherzugehen, dass ich mich nicht im Datum vertan habe. Doch als ich die schwere Eingangstür der Backsteinkirche öffne, umhüllt mich ein helles Licht und eine unerwartete Wärme. Ich komme gerade rechtzeitig. Die Band, die aus drei Pastoren und Profi-Musikern, einem Bassisten und einer Sängerin besteht, lässt die ersten Akkorde durch die Kirche hallen. Ich verkrieche mich unauffällig auf die hinterste Bank.
„Welcome to the ship“ heißt der Hit des Pianisten und Pastor Brandes, der mir am nächsten Morgen noch im Ohr liegt. 50 Gäste möchte die Band mit an Bord nehmen, „ins Bekannte und Unbekannte“, dabei werden Pastor Buhl die Schifffahrts-Metaphern nicht mehr loslassen. Auch die Kirchenlieder und Jazz-Standards sind thematisch abgestimmt. Neben „My Ship“ von Ira Gershwin oder Herbie Hancock’s „Maiden Voyage“ verblassen die verjazzten Psalmen und Kyrien kaum. Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem Herrn, dem König!
Es werden Kyrieworte gerappt, die Sängerin lädt einen mit ihrer wohligen Stimme zum mitsingen ein (was nur verhalten geschieht) und der Bass vibriert sanft in den Kirchenbänken. Ich fühle mich wohl und lausche gespannt der biblischen Lesung über eine Schiffsreise, die durch düstere Bass-Melodien und brausende Schlagzeug-Wellen begleitet wird. Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, würde in einem anderen Umfeld durch lateinamerikanische Rhythmen zum Tanzen motivieren. Ein, zwei Frauen nicken sanft mit den Köpfen. In der PREDIGT im Dialog diskutieren Pastor Pianist und Pastor Saxophonist über gesellschaftlichen Umbruch und rufen Christen dazu auf Widerstand zu leisten, gegen die Rechten, die im Bundestag ihre Hassparolen krakeelen. Gegen den Strom zu schwimmen, sozusagen. Die Bibel predige Gemeinwohl über nationale Egoismen.
– Gute Fahrt!
– Das heißt Ahoi du Landratte!
– Oder einfach…
AMEN
Zum Ende hin taut das Publikum langsam auf. Es wird mehr applaudiert. Einer Jazz-Club Atmosphäre gleicht es trotzdem nicht – alle horchen aufmerksam dem Bass-Solo. Nach 75 Minuten ist die Kirche aus dem Häuschen und die Band muss nachlegen. „Now’s the time“ von Charlie Parker soll uns zurück in die Hamburger Kälte begleiten. Doch ich werde wiederkommen, wenn ihr Schiff im Februar in die guten Häfen der nächsten zwei
Hamburger Kirchen einfährt.
Besetzung: Eva Beiderbeck (voc), Thomas Brandes (p, g), Hans-Jürgen Buhl (sax), Thilo Plümer (b), Michael Kempkes (dr)
Nächste Termine:
17. Februar 2019
10 Uhr St Thomas Rothenburgsort
17 Uhr St Trinitatis Harburg (St Johanniskirche)
24. März 2019
11 Uhr Wichernkirche Hamm
18 Uhr Martin-Luther Alsterdorf
07. April 2019
10 Uhr Auferstehungskirche Großhansdorf
18 Uhr Kirchengemeinde Meiendorf-Berne