©Silke Zenker

Hamburgs Jazz-Clubs von gestern bis heute: Teil 3 – Mojo Club

Der Name „Mojo Club“ steht seit über 30 Jahren für ekstatische DJ-Sets und schweißtreibende Livekonzerte – für Tanzbares jeglicher Coleur. Als der Club 1991 an die Reeperbahn zog, waren Rave und Acid Jazz angesagt. Was heute funktioniert und wie der Club die Zukunft sieht, hat Autor Jan Paersch mit Mojo-Betreiber Leif Nüske besprochen.

Hamburgs Clubs sind akut bedroht. Miet-Stundungen und Zuschüsse gleichen die Verluste kaum aus, und mit reduziertem Platzangebot lassen sich keine schwarzen Zahlen schreiben. Doch eine Kulturstadt wie Hamburg braucht Live-Clubs. Nicht nur, weil sie aktuell relevante Künstler*innen einladen, auch historisch sind sie von Bedeutung. Wir stellen Jazz-Locations vor, die wichtig waren – und es hoffentlich bleiben. 

Leif Nüske brauchte Geld. Es war das Jahr 1983 und der 19-jährige Hamburger musste 2000 Mark auftreiben, um die erste Single seines neuen Soul-Labels pressen lassen zu können. Also mietete er für zwei Abende einen Kachelraum unter dem Holthusen-Schwimmbad in Eppendorf. Die Akustik war katastrophal, die Leute kamen trotzdem. Nüske scheint sich heute noch zu wundern: „Junge Typen, die DJ-mäßig Jazzplatten auflegten – das war damals ziemlich skurril.“

Die zwei Nächte bildeten den Gründungsmoment für den Mojo Club. Die Achtziger waren eine Zeit des Aufbruchs, Rave und Acid Jazz waren angesagt, im HipHop entdeckte man den Jazz. 1988 traf Leif Nüske seinen späteren Kompagnon Oliver Korthals, 1989 fanden erste Veranstaltungen unter dem Namen „Mojo“ statt, zwei Jahre später zog man in ein ehemaliges Bowlingcenter an der Reeperbahn 1. Die Adresse gab es offiziell gar nicht, also verpassten die beiden Veranstalter sie sich einfach selbst. Der Blues-Klassiker „Got My Mojo Workin‘“ gab die Inspiration für den Namen des Clubs. „Wir wollten etwas Simples, schnell Begreifbares“, so Nüske. „Wir setzten uns hin, und hatten den Namen innerhalb von zehn Minuten.“

Ihre erste Veranstaltung hieß „Mojo Club presents Dancefloor Jazz for Cool Cats“. Durch eine CD-Compilation-Reihe wurde der Begriff zu einem eigenen Genre; Dancefloor Jazz war alles, wozu man tanzen konnte: Soul, Downbeat, Funk, Disco und Brazil Sounds. Und natürlich Jazz, gern als Remix mit treibendem Beat. Jedes Wochenende in den Neunzigern zogen sich die Schlangen draußen um den halben Block; DJs wie Gilles Peterson und Raphael Marionneau waren Kassenschlager. Dazu kamen die Konzerte: zu Beginn ihrer Karriere waren Kruder und Dorfmeister, Moloko und Massive Attack regelmäßig zu Gast.

„Ich habe solche Konzerte nie als besonderen Moment abgespeichert“, erinnert sich Nüske. „Es war einfach der Normalzustand. Ein Club hatte eine ganz andere Funktion als heute. Es war eine Begegnungsstätte, die etwas über das soziale Standing aussagte. Sag mir, wohin du gehst, und ich sage dir, wer du bist!“ Das Mojo war das Wohnzimmer, in dem sich Tanzwütige jede Woche wieder trafen. Auch, wenn der Betonklotz am Spielbudenplatz von außen wenig einladend wirkte. Gerüchte über einen Abriss begleiteten fast die gesamte Existenz des Clubs, doch erst 2003 musste der Laden schließen.

Zehn Jahre später feierte der Club am selben Ort, im Untergeschoss der Tanzenden Türme, Wiedereröffnung, in eigens dafür konzipierten Räumlichkeiten. Viele Rundungen, nur die nötigste Beleuchtung, die Tanzfläche aus dunklem Holz – der Mojo Club ist ein lässiges Retro-Tanztheater, das den eventgeplagten Kiez mit hochkarätiger Musik versorgt. Liveshows spielen heute eine größere Rolle im Tagesgeschäft, im neuen Mojo traten Badbadnotgood, Loyle Carner, Lee Fields und Portico Quartet auf, aber auch Mojo-Untypisches: Singer/Songwriter und Rockbands. „Es gibt nicht mehr das Hoheitswissen eines DJs“, begründet Nüske die geringere Zahl an DJ-Shows. „Musik ist immer und überall zugänglich, damit ist die originäre Funktion eines Clubs aufgehoben.“

Seit März ist der Mojo Club geschlossen. „Clubs und Pandemien passen nicht sonderlich gut zusammen“, seufzt Nüske. „Der Groove fehlt auf allen Ebenen. Hilft aber nichts. Wie an der Schlage vor dem Club muss man sich manchmal hinten anstellen. Wir werden damit leben müssen, dass sich die Bodentore zum Mojo Club noch eine Weile nicht oder nur für sehr wenige Menschen erheben werden. Ohne die Unterstützung der Stadt Hamburg wäre das nur schwer zu verkraften – danke dafür! Das ist ein Zeichen, das uns zuversichtlich bleiben lässt. Wir freuen uns auf alles, was kommt!“

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