Für Veranstalter*innen waren die letzten sechs Monate eine harte Zeit. Lang geplante Konzerte wurden abgesagt oder verschoben. Nun starten die Hamburger Clubs auch drinnen wieder – und mit einem Open Air in der Schanze.
Das Birdland startet im Oktober mit 30 Zuschauer*innen, die Jazz Federation ist in der Fabrik zu Gast und das Hamburger Kollektiv JazzLab wagt sich an ein eigenes Open Air. Alle Zeichen stehen auf Neuanfang. Doch wie kann der aussehen?
“Grundsätzlich versuchen wir, immer positiv zu bleiben.” beschreibt Nicolle Reichert das Mindset des Birdland-Teams, das sehnsüchtig auf den ersten Konzertabend am 3. Oktober hinfiebert. “Bei der Auswahl der Acts buchen wir verstärkt lokale Musiker*innen, um sie in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen“, sagt Reichert. „Zum anderen ist es momentan schwierig, ausländische Musiker*innen nach Hamburg zu holen und mit höheren Kosten verbunden”.
Auch das JazzLab startet nach langer Zwangspause wieder. JAZZ MOVES-Autor Matti Kaiser hat mit Lasse Grunewald über die Rolle des Veranstalters in Zeiten von Corona, den Umgang mit fehlenden Planungshorizonten und die Improvisationsfähigkeit der Jazz-Szene gesprochen.
Lasse, macht ein Konzert in Zeiten von Corona überhaupt Sinn?
Wir haben uns intensiv ausgetauscht, ob wir überhaupt etwas veranstalten wollen. Im Juli gab es eine allgemeine Aufbruchsstimmung – alle hatten auf einmal wieder Lust auf Kultur. Das ist jetzt wieder abgeflacht. Wir sind froh, dass wir überhaupt Bands von unserem Label präsentieren können. Und ganz pragmatisch gedacht bekommen wir von der Kulturbehörde eine Förderung, die bis Jahresende ausgegeben werden muss. Unsere geplanten Clubshows können wir nicht durchführen, also veranstalten wir ein Open Air, was die Behörde abgesegnet hat. Das ist nicht selbstverständlich! Wir haben keine großen Erwartungen. Ob es für das Publikum einen Mehrwert hat, wissen wir erst danach. Wir sind zwiegespalten.
Ihr habt ein halbes Jahr nichts veranstalten können. Wie geht ihr als Team damit um?
Niemand hat etwas in dieser Form schon einmal erlebt. Beim JazzLab können wir von Glück sagen, dass wir weder Festangestellte noch Büroräume haben. Wir hatten das Jahr schon durchgeplant und haben stufenweise entschieden, je nach Entwicklung der Pandemie und damit einhergehender Regularien. Grundsätzlich haben wir das Booking aufrechterhalten, die Bands nur verlegt und nichts abgesagt. Wir haben die Zeit genutzt und eine neue CI, Schriften und Logos entwickelt. Ganz anders sieht es aus, wenn du als Veranstalter*in Fixkosten wie feste Personalstellen hast.
Wie ist die Konzertplanung in Zeiten von Corona im Gegensatz zu vorher?
Die grundsätzlichen Absprachen sind ähnlich. Interessant wird die Frage nach einem Hygienekonzept. Beim Schrødingers im Schanzenpark war es ideal, da es dort ein bereits erprobtes Konzept gibt. Für eine Veranstaltung von uns im Dezember müssen wir dies eigenständig erarbeiten. Das ist deutlich komplizierter. Das umfasst dann das Hygienekonzept, die Schaffung von genügend Sitzmöglichkeiten sowie Absprachen mit Behörden und dem Gesundheitsamt. Das rechnet sich finanziell nicht, glücklicherweise haben wir eine Förderung bekommen. Ohne wäre eine solche Veranstaltung ein maximales Verlustgeschäft.
Bei eurem Open-Air im Schrødingers kommen Skilbeck und ROCKET MEN. Beides sehr tanzbare Acts. Wie funktioniert das?
Mit dem Kopf nicken und den Füßen wippen ist erlaubt. Wir wollten ein ordentliches Programm präsentieren und unser Booking nicht zwanghaft an die geänderten Voraussetzungen anpassen. So schafft man immerhin ein Stück Normalität. Es wird einfach ein spezielles Konzert.
Wie ist euer Eindruck vom Gemütszustand der Hamburger Jazz-Szene?
Um es überspitzt zu sagen: Wir reden über Jazz. Da sind die Beteiligten gewohnt, mit wenig bis nichts umzugehen. Zur Not werden Tütensuppen gegessen. Der „Standard“ von Jazz-Musiker*innen ist sowieso schon gering bis prekär. Die Szene hat gelitten und leidet noch immer. Aber man beschwert sich nicht, sondern findet Wege, sich mit der Situation zu arrangieren. Improvisation ist das Stichwort. Was bleibt ist eine gewisse Frustration und Perspektivlosigkeit.
Wie sieht eure Planung bei JazzLab für das nächste Jahr aus?
Wir sind vorsichtig optimistisch und planen das nächste Jahr regulär durch. JazzLab startet erst im März, deswegen haben wir noch zeitlichen Puffer. Außerdem müssen wir noch bis Oktober abwarten, inwiefern uns eine Finanzierung seitens der Kulturbehörde für 2021 zugesagt wird. Ab dann wird detaillierter geplant. Wir sind jedoch reflektiert genug, um zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stattfindet, durchaus hoch ist. Das heißt für uns: umplanen. Und im Zweifelsfall können wir nichts veranstalten.
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JazzLab Open Air 9. Oktober 2020
ROCKET MEN & Skilbeck, Tickets ab 14 €
Birdland 3. Oktober 2020 Birdland is back! birdlandhamburg.de/programm/
9. Oktober 2020 Judith Tellado/Paulo Pereira Quintett Tickets ab 22 €
Jazz Federation 4. Oktober 2020 Charlie Parker 100 – A Celebration
Anna-Lena Schnabel, Tilman Oberbeck etc. Tickets ab 19 €