Kamasi Washington mag es opulent. Wenn seine Songs eine Bezeichnung nötig hätten, dann würde „Epos“ wohl am treffendsten den bisherigen Output des 38jährigen Saxophonisten und Komponisten beschreiben. Washington agiert stets als Zweifler, Mahner und Suchender. Sein epischer Crossover-Jazz spiegelt genau diese Gemütszustände wieder.
Lateinamerikanische Rhythmen, groovelastiger Gospel und Rapeinlagen treffen bei Washington wie selbstverständlich auf verhallt-sphärische Chöre und eine dicke Portion Sozialkritik. Der 38jährige gibt dabei nicht nur den vergessenen Seelen Amerikas eine Stimme, sondern auch dem politischen Jazz, womit er tief in der Tradition der schwarzen Musik der 1960er Jahre steht. Was Washington jedoch grundsätzlich von vielen anderen unterscheidet, ist seine Nähe zu Superstars des Hip-Hop. Er arrangierte nicht nur für Kendrick Lamar, sondern spielte als Sideman in der Band von Snoop Dogg und Flying Lotus. Erst mit diesen Erfahrungen im Gepäck macht sich Washington an sein erstes Album „The Epic“. Was danach folgt, muss sich für ihn bis heute unwahrscheinlich anfühlen.
Die Musik des Amerikaners trifft einen Nerv. Das Publikum wird diverser, aus kleinen Clubs werden große Hallen. Kamasi wird vom Sideman zum neuen Helden der Jazzszene. Und dann spricht dieser Kerl mit der imposanten Erscheinung auch noch wie selbstverständlich und mit klarer Meinung über Politik, Diskriminierung und Rassismus. Das Feuilleton überschlägt sich beinah und selbst die üblicherweise auf Abstand bedachte Popkritik muss sich eingestehen, dass dieser Washington den Nerv der Zeit nicht nur in musikalischer Hinsicht trifft. Und sogar für Titelbilder eignet sich der stets in bunte, afrikanischen Gewänder gekleidete und mit extravaganten Accessoires behangene.
Doch Kamasi Washington ist viel zu sehr in seine Suche nach Antworten vertieft, als dass ihm das Gehabe um seine Person sonderlich zusetzt. Nach der Veröffentlichung seines Debütalbums tourt er nonstop um die Welt, veröffentlicht zwei EPs und ein Album. Aufgenommen in kurzen Zeitfenstern zwischen Konzerten, Interviewterminen und Flügen.
Das 2018 erschienene „Heaven and Earth“ zeigt dabei schon im Titel die beiden wohl herausragendsten Eigenschaften von ,Kamasi Washington: Sein waches Auge für das irdische Zeitgeschehen und sein unabdingbarer Wille, diesem mit spiritueller Offenheit zu begegnen. Irgendwie kann man sich Kamasi Washington dabei gut auf einer Wolke vorstellen. Wie er dort sitzt, umgeben von großen Chören, auf einem plauschigen Thron. Er streichelt sanft sein Instrument und sendet mahnende Töne an die Bewohner*innen der Erde. Und die spitzen ihre Ohren und hören zu, wenn Kamasi Washington zur Audienz bittet.
Am 30. Mai 2019 kommt Kamasi Washington mit Band ins Uebel&Gefährlich. Tickets ab 38,50 Euro.