Der Kulturbetrieb ruht. Kunstschaffende und Musikwirtschaft sind von der Corona-Krise schwer getroffen. Aber auch die, die euch stets mit der notwendigen Ration an „schwarzem Gold“ versorgen, sind bedroht: die Plattenläden eures Vertrauens. JAZZ MOVES-Autor Philipp hat sich umgehört, wie man in Hamburg mit der aktuellen Situation umgeht.
„Nach oben buckeln, nach unten treten“ lautet dieser Tage das Motto der Hanseplatte. Was nach Klassenkampf klingt, ist nur das eigene Aufbäumen gegen die Existenzangst und heißt übersetzt: Ihr bestellt, wir liefern es per Rad.
Ein Service, den mittlerweile viele Hamburger Plattenläden anbieten. Einfach anrufen oder anklicken und schon ein paar Stunden später findet man frischen Nachschub für den heimischen Plattenspieler im Hauseingang. So schnell schafft es kaum ein Internetriese dieser Tage.
Aus der Not eine Tugend machen, heißt es derzeit. Ladenlokale sind geschlossen, Gewerbetreibende stehen vor immensen Herausforderungen. Lieferketten sind unterbrochen, der Nachschub von Second-Hand-Ware stockt. Und: kaum ein Laden hatte je die Möglichkeit, finanzielle Rücklagen zu bilden.
„Viele Stammkunden haben in den letzten Tagen angerufen und einen Schub Vinyl bestellt. Diese Solidarität ist rührend“, erzählt André Frahm, einer der Betreiber von Michelle Records in der Hamburger Innenstadt. Ein Ruck der Solidarität geht derzeit durch weite Teile der Gesellschaft, doch wirft auch Fragen auf. Größtes Problem dürfte für viele die Miete in umsatzschwachen Monaten sein.
Marga, die seit 15 Jahren Groove City in der Marktstraße betreibt, verdeutlicht, dass die Krise anhalten wird. Denn ein großer Teil ihrer Kunden sei selbstständig und stark von der Krise betroffen. Und danach sei „der Kauf einer Schallplatte wahrscheinlich nicht oberste Priorität“. Zwar gibt es für Selbständige nun Soforthilfe – aber ob die reicht? Wenn nicht eine solidarische Lösung gefunden würde, fürchtet Marga um „das Gesicht und den Herzschlag dieser Stadt“, schreibt sie in einem Brandbrief an den Hamburger Senat.
Auch Christopher schaut als Mitbetreiber der Plattenrille im Grindelviertel in eine ungewisse Zukunft. „Wir dürfen nicht von der Bildfläche verschwinden! Also arbeiten wir an neuen Formaten, wie DJ-Sets aus dem Laden. Außerdem wollen wir die Leute ermutigen, uns zu kontaktieren, falls sie eine bestimmte Platte suchen. Der Wille, diesen Wunsch zu erfüllen, ist definitiv da.“
Bei Michelle Records haben die Betreiber nun selbst die Instrumente in die Hand genommen. Mit der „The Fuck Off Corona Virus Schaufensterkonzert Spezial“-Serie schicken André und Bandkollegen nun einen Song pro Tag aus ihrem Laden ins Internet. Ein bisschen Routine muss auch in dieser Zeit sein.
Was man tun kann, um zu helfen? Schallplatten kaufen ist zumindest ein guter Anfang. Denn so ist nicht nur den Läden geholfen, sondern auch Labels, Vertrieb und den Künstler*innen selbst, bei denen zumindest ein kleiner Betrag ankommt. Und eigentlich gibt es keinen besseren Zeitpunkt, den Plattenspieler heißlaufen zu lassen, als in heimischer Quarantäne.
Übersicht über Hamburgs Plattenläden:
www.hamburg-record-stores.de