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Zwischen HipHop-Session und dem Erbe von Esbjörn Svensson – Der Pianist Roman Schuler

Der in Hamburg lebende Pianist und Keyboarder Roman Schuler ist ein Vielseiter. In Pop-Bands wie den Monopunks von Max Mutzke und der Backing-Band der Sängerin ELIF sowie als Kopf von RSxT, dem Roman Schuler extended Trio lotet er die Grenzen von urbaner Musik und Jazz aus und verbindet akustische und elektronische Klänge. Gerade erst hat er bei Hamburg Jazz Open im Park Planten un Blomen begeistert. Philipp Püschel hat Roman Schuler für JAZZ MOVES interviewt.

Roman, Du bist ein Musiker, der überall, aber auch nirgends daheim ist. Was treibt dich bei der Arbeit mit deinem Trio an?

Roman: Ich liebe den Moment, „live“ zu spielen. Alles, was ich musikalisch mache, ist vom Groove geprägt. Das Trio-Format ist für mich die perfekte Spielwiese, die den Platz liefert mit den verschiedensten Sounds zu experimentieren, ohne den Bandsound zu überladen. In Projekten, in denen ich als Sideman spiele, macht es oft Sinn sich in Zurückhaltung zu üben, um Platz für den Gesang und die Message zu lassen. Umso mehr genieße ich es, in meinem Trio die Keyboards in den Fokus der Kunst zu rücken und ohne Grenzen neue Sounds auszuprobieren. Das Trio bietet mir eine super Möglichkeit, die Liebe zum Live-Spielen, zu den verschiedenen Keyboardsounds und zum Groove zu verbinden.

Die Musik, die dabei entsteht, bezeichnest Du als Contemporary Groove Music. Was genau bedeutet das für dich?

Ich verbinde gerne Sachen, die vorher musikalisch noch nicht miteinander in Berührung waren. Als Beispiel: eine große Inspiration für mich ist der schwedische Pianist Esbjörn Svensson. Seine Einflüsse kombiniere ich mit Hip-Hop-Grooves, was alles härter und elektronischer klingen lässt. Aber auch Soul, Techno und Trap inspirieren mich und fließen mit hinein. Dadurch schaffe ich für mich eine neue Soundwelt, die ich mit Vintage Keyboards, Sequencern, Loops und Soundflächen untermale. So treffen lyrische Melodien auf Beat Music und ich versuche dadurch musikalische Klischees aufzubrechen und Neues zu schaffen.

Dein aktuelles Album „Flourish“ kommt beinahe wie eine elektronische Produktion daher, weniger als klassisches Jazz-Album. Wie ist die Musik entstanden?

Auch wenn ich die Stücke größtenteils am Klavier geschrieben habe, sind die einzelnen Titel von ganz unterschiedlichen Einflüssen geprägt. Mal ist es ein Synthesizer-Sound oder ein Pattern, das mich nicht losließ (z.B. „Bloom“), oder es sind konkrete Song-Vorlagen, die mich inspirieren. Da ich aber von Haus aus eigentlich Schlagzeuger bin und erst später zum Klavier gefunden habe, höre ich sofort den Beat, sobald ich mit dem Klavierspiel anfange.

Kein einfaches Trio, sondern ein „extended Trio“. Was hat es damit auf sich?

Der Weg der Musik findet sich meistens vom Klavier ins Trio. Dann füge ich in der Regel noch Samples und weitere Synthesizer-Sounds hinzu, die alles atmosphärischer klingen lassen. Bei ein paar Stücken war aber auch ein von mir produzierter Beat eine ganz konkrete Vorlage, den ich dann mit der Band live interpretiert habe. Ein weiteres Geheimnis ist die Musiksoftware Ableton, die unter der RSxT Show läuft und die Möglichkeit bietet, mit selbst produzierten Backingtracks, Loops und Vocalsamples vom Laptop den Sound anzufetten. So klingen wir nicht wie ein reines Trio, sondern wie eine größere Besetzung und können dadurch den elektronischen Sound der Platte auch live umsetzen.

Erschienen ist das Album auf dem Berliner X-JAZZ-Label, das für einen jungen, urbanen Sound steht, dessen Musik weit über den Jazz-Begriff hinausgeht. Ist es Dein Ziel, aus dem Jazz-Kontext hinaus eine breitere Zielgruppe zu erreichen?

Eigentlich habe ich noch nie Jazz gemacht. Für viele ist es das halt, weil es instrumentale Musik ist. Dadurch findet es für viele automatisch in einem Jazz-Kontext statt. Durch die verschiedenen Genres und Features sollen natürlich ganz unterschiedliche Menschen erreicht werden und ich freue mich darüber, je mehr Leute meine Musik zu hören. Und X-JAZZ bietet eine gute Plattform dafür, da dieser Crossover-Gedanke genau hier verankert ist. 

Im Oktober reist Du mit RSxT dann zum Kathmandu Jazz-Festival nach Nepal und führst als dritte Hamburger Band in Folge den Austausch zwischen den beiden Städten fort…

So eine internationale Reise mit der Band antreten zu dürfen ist eine tolle Entwicklung und ein spannender Schritt, auf diese Weise eine andere Kultur und ein anderes Land kennenlernen zu dürfen. Mit Musik zu reisen, ist für mich der allerschönste Geisteszustand. Daher freue ich mich auf eine tolle, nachhaltige Erfahrung!

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