Jazz Moves Hamburg

Jazzarchiv Hamburg

Mehr als zwei Millionen Fotos über Jazz, Pop und Rock in Hamburg

Rubrik

Feature

Veröffentlicht

25.03.25

Autor:in

Heinrich Oehmsen

Ordner mit Künstler*innen-Fotos im Jazzarchiv Hamburg • Foto: Hardy Schiffler (Jazzarchiv Hamburg)

In einem Fachwerkhaus an der Dove-Elbe hat das Jazzarchiv Hamburg seine Heimat. Isabel Schiffler ist die Herrin über mehr als zwei Millionen Fotos aus den Bereichen Jazz, Pop, Rock, Weltmusik, Reggae und anderen Genres.

Die Ordnung ist perfekt. Etwa 1500 DIN-A4-Ordner stehen akkurat aufgereiht in brusthohen Regalen, alphabetisch und chronologisch sortiert. Etwa zwei Millionen Dias sind in den Ordnern abgelegt, 200.000 bis 300.00 sind gerahmt. Genau kann Isabel Schiffler die Zahl nicht beziffern. Sie ist die Herrin des Jazzarchivs Hamburg. Begründet hat diese riesige Sammlung von Konzert- und Porträtfotos von Musikern und Prominenten ihr Vater Hardy.

Musiker Hardy Schiffler • Foto: Jazzarchiv Hamburg
Musiker Hardy Schiffler • Foto: Jazzarchiv Hamburg
Jazzarchiv-Chefin Isabel Schiffler • Foto: Jazzarchiv Hamburg

Nach dessen frühen Tod im Jahr 2002 hat sich die Tochter rangemacht, um "diesen Schatz zum Leben zu erwecken und zu modernisieren", wie sie sagt. Heutzutage bedeutet das Digitalisierung. Für ihren Vater war das ein Fremdwort. Die Erbin machte sich daran, Abertausende von Dias zu digitalisieren und so überhaupt für mögliche Kunden sichtbar zu machen. "Mein Vater hat sich der rasanten technischen Entwicklung verweigert. Aber es kam ein Punkt, an dem Redaktionen keine Postsendungen mehr mit Dias erhalten wollten. Drei bis vier Jahre habe ich fast täglich daran gearbeitet, die Fotos für das Jazzarchiv zu digitalisieren", erzählt sie. Das waren etwa 200.000 der kleinen Bildchen. Vor allem aber hat Isabel sich eine Digitalkamera und Objektive angeschafft und das Archiv mit ihren eigenen Aufnahmen weiter bestückt - nun mit JPEGs statt mit Dias.

Hardy Schiffler hat 1973 angefangen zu fotografieren. In den ersten Jahren zunächst als Hobby neben seiner Arbeit als Redakteur im Bauer-Verlag. Er war ein großer Jazzfan und Bewunderer von Louis Armstrong, er spielte Kornett und mochte vor allem Oldtime-Jazz. Die Hamburger Jazz-Szene war in den 70er-Jahren überschaubar geworden, mit Fotos von Jazz-Frühschoppen war kein Geld zu verdienen. Also erweiterte Schiffler seinen Kamera-Radius um Rock, Pop, Schlager und Prominenz, denn davon gab es in der Musikmetropole Hamburg reichlich. Das Onkel Pö, die Fabrik, die Markthalle, das Logo und die Musikhalle waren wichtige Orte, an denen Schiffler seine Abende verbracht hat. Außerdem wurden damals noch eine ganze Reihe von TV-Musiksendungen in Hamburg aufgezeichnet. Auch zum North Sea Jazz Festival ist er fast jeden Sommer regelmäßig nach Den Haag und später nach Rotterdam gereist, um die Größen des Jazz aufzunehmen. Charles Mingus und Wayne Shorter, Sonny Rollins und das Art Ensemble of Chicago gehörten dazu, aber auch Hunderte anderer Künstler. Anhand von Schifflers Fotos könnte man ein Buch zur Geschichte des Jazz und der Rockmusik schreiben, bis zu seiner Krebserkrankung Ende der 90er-Jahre hat er Stars und Newcomer gleichermaßen abgelichtet.

Beispielfotos aus dem Jazzarchiv Hamburg von Musikern wie Chet Baker, Dizzy Gillespie, Al Jarreau und Tom Waits

Jazzmusiker Chet Baker • Foto: Hardy Schiffler (Jazzarchiv Hamburg)
Jazztrompeter Dizzy Gillespie • Foto: Hardy Schiffler (Jazzarchiv Hamburg)
Jazzmusiker Al Jarreau • Foto: Hardy Schiffler (Jazzarchiv Hamburg)
Jazzsänger Al Jarreau • Foto: Hardy Schiffler (Jazzarchiv Hamburg)
Musiker Tom Waits • Foto: Hardy Schiffler

Tochter Isabel, Jahrgang 1970, ist schon früh in seine Fußstapfen getreten. Zuerst ist sie ab und an gemeinsam mit dem Vater losgezogen und hat mit ihm auch Festivals bereist, später haben sie die Termine aufgeteilt. "Ich habe dann viel Punk- und Rockkonzerte übernommen, auf die ich mehr Lust hatte als mein Vater", erzählt sie. Nach dessen Tod ist Isabel selbst jeden Tag in die Clubs und Konzerthallen mit ihrer schweren Ausrüstung losgezogen. Die Auftragslage war nach einigen Jahren so gut, dass sie mit anderen Fotografen auf Honorarbasis kooperierte. 18 Jahre lang hat sie für Tageszeitungen und Magazine fotografiert, mit der Pandemie endete ihr Job abrupt. Weil es plötzlich keine Konzerte und damit auch keine Aufträge mehr gab. Zudem sah sie ihr Metier zunehmend kritischer: "Die Kreativität wird immer weniger, wenn man nur noch mit dem 500mm-Objektiv vom Mischpult aus fotografieren darf. Dann ähneln sich die Fotos der akkreditierten Fotografen zu sehr", sagt sie.

Die Corona-Pause hat ihr gutgetan. Sie hat sich einen Camper gekauft, mit dem sie mehrere Monate im Jahr in Südeuropa unterwegs ist. Bei diesen Reisen findet sie andere Fotomotive. Außerdem hat sie angefangen zu malen. Den Stress der Konzertfotografie hat sie durch diese kontemplative Beschäftigung mit Pinsel und Farben weitestgehend hinter sich gelassen. "Wenn mich ein Thema interessiert, ziehe ich natürlich los", sagt sie.

Und hütet ihren Schatz, der allerdings weniger nachgefragt ist, als man vermuten würde. "Ich bin mit dem Jazzarchiv in fünf Agenturen vertreten, doch wenn darüber Bilder verkauft werden, bekomme ich manchmal nur Honorare im Cent-Bereich", sagt sie. Lukrativer ist es, wenn Redaktionen gezielt Fotos anfragen oder Buchverlage auf sie zukommen. So hat sie zuletzt Fotos für Bücher im Junius-Verlag über das Hamburger "Logo" und die hiesige Punk-Szene geliefert. Auch Holger Jass, Wirt und Macher im legendären "Onkel Pö" war für ein Buch über seinen Kult-Club bei ihr und hat nach Fotos gesucht, die Schifflers Vater in der jazzorientierten Musikkneipe am Lehmweg aufgenommen hat.

Immer noch ist Isabel Schiffler fasziniert davon, bei Hallenkonzerten im Graben oder im Club direkt an der Bühne zu stehen. Sie hat viele Künstler hautnah erlebt und diese Erlebnisse verinnerlicht. "Ich hatte oft Ganzkörper-Gänsehaut", sagt sie. Auf die Frage, welchen Künstler sie am aufregendsten fand, überlegt sie ein paar Augenblicke. Dann sagt sie: "David Bowie hat mich umgehauen."

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