Lisa Stick und der Werner Burkhardt Musikpreis 2022
Ingolf Burkardt: „Es war klar: Da ist was im Busch! Da kommt was!“
Rubrik
Szene
Veröffentlicht
29.11.22Autor:in
Petra Riess
Wie die Hamburgische Kulturstiftung mitteilte, erhält die Jazzposaunistin Lisa Stick den mit 7.500 Euro dotierten Werner Burkhardt Musikpreis 2022.
In ihrer Begründung würdigt die Jury Lisa Stick als „in der Hamburger Jazzszene herausragende Persönlichkeit. Ihr luftiger Sound, ihre lyrische Spielweise und die Meisterschaft, Geschichten zu erzählen tragen gleichermaßen dazu bei, ihr Publikum in den Bann zu ziehen. Es sind die leisen Töne, die dennoch sehr ausdrucksstarken Linien und die unerwarteten Wendungen, die sie als Solistin und Komponistin kennzeichnen.“ Die Jury setzte sich zusammen aus Alex Holzwert (Karsten Jahnke Konzertdirektion), Philipp Püschel (JazzLab u. a.), Sarah Seidel (NDR Kultur), Ulrich Stock (Die ZEIT) und Lisa Wulff (Musikerin). Die Preisverleihung findet am 19. Januar 2023 in der JazzHall in Hamburg statt. Die Preisträgerin wird mit ihrem Lisa Stick 7tett – einem Jazzensemble inklusive Streichquartett – auftreten.
Lisa Stick
1987 in Kiel geboren, lebt Lisa Stick als freischaffende Musikerin in Hamburg. Ihr Studium der Jazzposaune absolvierte sie bei Nils Landgren und Dan Gottshall an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und schloss den Nordic Master in unterschiedlichen Städten in Skandinavien an. Sie ist Mitglied in Jazzformationen wie dem Jazzkombinat Hamburg, der Gabriel Coburger XXL Band und der Band Operation Grand Slam und tritt mit Ensembles wie der NDR Bigband, der Jazzbaltica-Allstar-Bigband und dem Aarhus Jazz Orchestra auf. Ihre eigene Musik schreibt sie vor allem für ihre Ensembles, mit denen sie bereits mehrere Alben veröffentlichte: das deutsch-schwedisch-finnische Quintett Flickstick, das Lisa Stick Quintett und das Lisa Stick 7tett. Konzertreisen – unter anderem mit der NDR Bigband – führten sie u.a. nach Skandinavien, in den Nahen Osten, die Schweiz, nach Frankreich und die USA.
Laudatio von Ingolf Burkhardt
Der NDR Bigband Musiker betonte unter anderem die gemeinsame Zeit im Landesjugendjazzorchester SchleswigHolstein, das ihn oft als Dozenten eingeladen hatte. Die Bedeutung der Jugendmusikförderung könne nicht hoch genug eingeschätzt werden – auch das ein klares und deutliches Statement des Laudators. Schon damals, sagte Burkhard, sei ihm Lisa mit ihrer zielstrebigen Energie und Neugier aufgefallen, und nicht nur ihm war klar: „Da ist was im Busch! Da kommt ‚was!“
Weitere Stationen für Lisa Stick waren der Schritt ins Bundesjugendjazzorchester (BuJazzO), dann zum Studium nach Hamburg und Stockholm (ERASMUS, Austauschjahr), und Jazz Baltica. Dort begann die Bekanntschaft und Freundschaft mit Nils Landgren.
nichts Unnötiges, ruhig, viel Raum, Solos entstehen fast beiläufig aus den Themen
Lisa drängele sich nie in den Vordergrund, wisse aber gleichzeitig als Bandleaderin ruhig und mit natürlicher Autorität die Dinge gut zusammenzuhalten. Man müsse sich für Lisas Kompositionen eine bemalte, bedruckte Folie vorstellen, die man gegen das Licht hält:
Da ist ein Muster drauf, und dann wird – beim Hören – ein zweite Folie darüber geschoben, eine dritte, eine vierte, eine fünfte. Das Licht bleibt gleich, der Rahmen bleibt gleich, aber der Inhalt changiert die ganze Zeit, in Farben, in Mustern. Dann wird wieder eine Folie rausgenommen, oder vier weggenommen, eine bleibt liegen. So entstehen immer neue Bilder auf einer relativ offen gespielten Musik.
In der voll besetzten Jazz Hall Hamburg gab es am Ende viel Applaus für diese Laudatio – und für eine Preisträgerin, die sich in ihren Dankesworten mehrfach die Rührung aus den Augen wischen musste, bevor sie dann „froh und unendlich dankbar“ zu ihrer Posaune greifen durfte.
Interview mit Lisa Stick
Nach dem Jazz Baltica Förderpreis vor zehn Jahren jetzt der Werner Burkhardt Musikpreis ! Schönes Gefühl?
Voll! Das ist total gut und ein Riesenglück! Ich bin aufgeregt vor heute Abend, denn es fühlt sich ein bisschen an wie ein Diplomkonzert. Alle sind zwar wohlwollend, aber man steht doch plötzlich ganz anders im Mittelpunkt. Und ich bin auch sehr gerührt…
Du wirst heute Abend mit Deinem »Lisa Stick 7tett« spielen. Das sind Streicher dabei – wie kam es dazu?
Das gab’s mal im Jazzlab. Die haben eine Sommersause gemacht und Leute eingeladen mit der Idee Etwas zu tun, was sie noch nie gemacht haben. Da habe ich mir Streicher eingeladen. Ich finde nämlich, da gibt es Möglichkeiten die wir noch gar nicht ausgeschöpft haben!
Du bist Posaunistin. Warum dieses Instrument?
Das kann ich gar nicht so sagen. Ich habe drei ältere Geschwister, die alle auch ein Instrument spielen und ich wollte was machen, was die nicht können. Es gab an der Schule eine Blechbläser AG und dann habe ich damit angefangen. Bei mir ist das eher so gewachsen. Außerdem darf man als Posaune schnell irgendwo mitspielen, weil es so wenige gibt!
Du stammst aus Kiel, hast in Hamburg und in Stockholm studiert. Steht Dir Jazz aus Skandinavien, diese Stilistik besonders nahe?
Ja, voll! Ich habe früher viel E.S.T. gehört, war oft bei Jazz Baltica. Ich mag es gerne so ruhig und es gibt darin mehr Weite. Die Musik erinnert mich an die Landschaft, da würde ich gerne mal wieder hin.
Wie erlebst Du denn die Jazzszene Hamburg? Ist Hamburg eine Jazzstadt?
Ja, ich find schon! In den letzten Jahren war ich zwar superwenig unterwegs, klar, aber früher war ich jede Woche mindestens einmal auf einem Konzert, montags immer im Hafenbahnhof zum Beispiel. Manchmal hat man zwar den Eindruck, dass es eine kleine Welt ist, aber dann bin ich doch überrascht, wie viel es gibt! Und das Jazzprogramm der Hochschule trägt viel dazu bei: Der Dr. Langner Jazzmaster zum Beispiel zieht viele internationale Leute nach Hamburg, und die Szene hat sich in den letzten Jahren total verändert!
Du hast, vor der Pandemie, auch größere Tourneen gemacht. Erinnerst Du Dich an besondere Auftritte? Du warst zum Beispiel mit dem German Women’s Jazz Orchestra im Nahen Osten…
Das war natürlich total krass, gerade im Nachhinein. Das Musikalische spielte dabei gar nicht so sehr die Rolle. Wir haben zum Beispiel in Gaza gespielt. Das waren krasse Eindrücke, und es war ein Privileg, dort zu spielen. Wir waren auch im kurdischen Teil des Iraks und in Jordanien. Das war durch die kulturellen Eindrücke etwas ganz Besonderes! Musikalisch muss ich sagen, gab es einige unvergessene Auftritte mit der NDR Bigband. Zum Beispiel als wir mit Al Jarreau in Paris waren! Es gab auch ein tolles Projekt mit Geir Lysne, die Iceland Visions, mit isländischen Musiker:innen. Da war unter anderem Helge Andreas Norbakken dabei, ein norwegischer Schlagzeuger, der ein selbst zusammengebautes Drumset spielt, unter anderem mit Felgen. Deshalb sein Spitzname: „Helge Felge“.
Hast du eine Lieblingsformation?
Mein Traum wäre eine Workingband, wo man sich jedes Wochenende trifft, das wäre so ein Traum. Das fände ich schon mega cool…
Wie komponierst Du denn am liebsten? Hast Du einen Ort, der Dich besonders inspiriert?
Das ist eine interessante Frage! Ich habe festgestellt, dass es bei mir um Input geht. Wenn ich unterwegs bin und neue Eindrücke habe, auf Festivals zum Beispiel, mit anderen Musiker:innen, das inspiriert mich! Dann bin ich auch viel am Klavier, an der Hochschule, zum Glück kommt das Klavier jetzt auch bald nachhause. Spazieren gehen ist zwar gut, aber im Grunde habe ich kein so festes Ritual, und das stille Kämmerlein ist jetzt nicht so meins!
Vor zehn Monaten bist Du nochmal Mutter geworden. Was machst du heute Abend mit Deinen Kids?
Mein Mann bleibt heute Abend zu Hause und wir hoffen, dass es gut klappt.
Lisa, vielen Dank für das Gespräch!