Zwei die wissen wie der Hase hoppelt
Neue Doppelspitze beim LJJO Hamburg
Rubrik
Feature
Veröffentlicht
26.09.22Autor:in
Anika Fink
Die neue Doppelspitze des LJJO Hamburg Hendrika Entzian und Jörn Marcussen-Wulff, zwei waschechte Nordlichter, geboren 1984 und 1981, bilden seit März dieses Jahres die neue künstlerische Doppelspitze des Landesjugendjazzorchester Hamburg (LJJO) Hamburg. Was sie vorhaben, was sie motiviert und was das LJJO Hamburg überhaupt ist, das hat Anika Fink im Interview erfahren.
Wichtige Big Band Alben? „Maria Schneider -Evanescence, da komme ich immer wieder drauf zurück und Guillermo Klein-Swiss Jazz Orchestra, das höre ich gerade gerne“, erzählt Hendrika Entzian. „Maria Schneider – Evanessence, das ist genau mein Nerv, das ist Wahnsinn“, pflichtet Jörn Marcussen-Wulff bei. Seine weiteren go-tos sind da zeitlich gesehen ursprünglicher: „The complete atomic Basie – Count Basie Orchestra, das ist der Sound von Basie den man kennt, das ist schon ne krasse Platte, Thad Jones – Central Park North ist auch nen ganz stilbildendes Album finde ich“.
Swing and Beyond – the music of Maria Schneider and Bill Holman
Das Pendeln zwischen Tradition und Moderne ist Programm – auch im eigenen musikalischen Schaffen. „Von … bis sollten die Leute alles mal kennenlernen und gespielt haben“, meint Entzian. Marcussen-Wulff ergänzt euphorisch: „Ich finde gerade diese Verbindung total spannend, denn alles was heutzutage passiert kommt ja irgendwo her. Dabei hat das seit 1988 bestehende Auswahlorchester über die Jahre schon so einiges an Big Band Literatur durchgekaut. „Swing and Beyond – the music of Maria Schneider and Bill Holman“, „Between Light And Darkness – the music of Steve Gray and Ed Partyka“ und „In A Mellow Tone – the music of Duke Ellington and Billy Strayhorn“ sind nur einige der bisherigen Programme. Auch das Mitbringen eigener Stücke ist keine Seltenheit. So setzte Marcussen-Wulff (siehe Foto) den LJJOlern in seiner damaligen Gast-Arbeitsphase im September 2020 gleich seine eigenen Kompositionen vor.
Zwei Nordlichter für das LJJO
Mit der offiziellen Einsetzung als künstlerische Leitung stellte er in der Frühjahrarbeitsphase dieses Jahres dann das Programm „LJJO Hamburg plays Bob Brookmeyer and Thad Jones“ mit den jungen Erwachsenen auf die Beine. Versiert ist er: „Ich hab‘ schon immer Big Band gespielt, ich durfte damals in der Schule sogar schon eine leiten. Der Klangkörper, der ist super!“. Erstmal aber ging es für den geborenen Schleswig-Holsteiner zum dortigen Landesjugendjazzorchester. „Das war die geilste Zeit für mich, das wirkt bis heute nach“. Diese Begeisterung weitergeben, das liegt MarcussenWulff, der mittlerweile mit Fette Hupe eine eigene Big Band gründete und für bekannte Instanzen wie die NDR Bigband oder auch das niederländische Metropole Orchestra arbeitet, am Herzen.
großartige Improvisatoren in Szene setzen
Und Hendrika Entzians erste Station im Big Band Bereich? Genau hier, im LJJO Hamburg, nicht unweit ihrer Kieler Heimat. Bisher letzte Station: Ihre 2018 selbstgegründete 17-köpfige Formation namens Hendrika Entzian +, ein zeitgemäßes Big Band Orchester, welches es sich zum Ziel setzt „beweglich und spontan“ zu bleiben und „großartige Improvisatoren in Szene“ zu setzen. Auch Entzian schreibt und arrangiert für große Formationen, darunter ebenfalls das Metropole Orchestra, aber auch die WDR Big Band. Für sie ist es vor allen Dingen eine Peer-Group, die sie für den Nachwuchs schaffen möchte, denn die braucht es, um zum Jazz zu kommen. „Leute die man nachahmt“, das hat sie damals selbst als Jugendliche erlebt. „Multiplikator und Leuchtturm“ soll das LJJO Hamburg sein.
Das LJJO als Multiplikator und Leuchtturm
Die Besetzung wird dementsprechend in fließenden Übergängen ausgewechselt. So „können Leute, die schon länger dabei sind, die Band musikalisch, aber auch im sozialen Kontext tragen“, sagt Anita Rudat, Projektleitung. Auf dem Programm stehen zum Beispiel Workshops des LJJO Hamburg an Schulen. Die Gliederung in Haupt- und Nachwuchsband, tut ihr Übriges. „In der Hauptband sind gerade eher die Studierenden, in der Workshopband dann der richtige Nachwuchs also hauptsächlich Schüler:innen und ganz frische Studierende“.
Feuer entfachen!
Abgerundet wird alles durch ein stabiles Netzwerk der Hamburger Jazzplayer. „Jazzbüro, Jazz Federation, die HfMT Jazz Abteilung, NDR Big Band, NDR Jazz Redaktion, die Jugendmusikschule, das arbeitet schon alles sehr eng zusammen“. Entzian und Marcussen-Wulff genießen die Verantwortung! „Feuer entfachen“, „herauskitzeln was geht“ ohne „die individuelle Person zu verlieren“ und „Brände zu löschen“ lautet das kollektive Motto! Wichtige Instrumente dafür: Elan aber vor allem auch „Sensibilität für Situationen, die Musik und das was zwischen der Musik passiert“.
Krasse Farbpalette, die da aufgeht
„Die Musik, die wir spielen hat immer was mit Improvisation zu tun, da muss man schon darauf achten, dass jeder die Möglichkeit hat sich mal als Solist:in zeigen zu können“ meint Marcussen-Wulff. Dann kommt er ins Schwärmen: „Es ist einfach ne krasse Farbpalette, die da aufgeht – Trompeten mit oder ohne Dämpfer, welche Saxofone, welche Kombinationen und das zweite ist natürlich der Druck, der ist tierisch. Wenn 20 Leute Vollgas spielen, zumindest wenn das koordiniert ist, ist das schön. Auch der Kontrast, also wenn sehr leise gespielt wird, hat man halt ne unfassbare große Vielfalt an Klängen.“ Mit einem Programmmix aus Charles Mingus und eigenen Stücken und Arrangements startet Hendrika Entzian dann in die diesjährige Herbstarbeitsphase. Klar ist: „Heißhunger haben sie alle, nach Musik und nach live spielen, das merkt man einfach.“!