Jazz Moves Hamburg Beta

Hamburgs Jazz-Clubs von gestern bis heute

Teil 4 – Birdland

Rubrik

Feature

Veröffentlicht

14.12.2020

Autor:in

Hans Hielscher

Birdland Hamburg • Foto: Alexander Schliephake

Internationale Stars waren von Anfang an Teil des Konzeptes des Clubs Birdland – und jeden Donnerstag die beliebte Jam Session bei freiem Eintritt. Hans Hielscher ist für sein Club-Portrait mit Betreiber Wolff Reichert spazieren gegangen.

Hamburgs Clubs sind akut bedroht. Miet-Stundungen und Zuschüsse gleichen die Verluste kaum aus, und mit reduziertem Platzangebot lassen sich keine schwarzen Zahlen schreiben. Doch eine Kulturstadt wie Hamburg braucht Live-Clubs. Nicht nur, weil sie aktuell relevante Künstler*innen einladen, auch historisch sind sie von Bedeutung. Wir stellen Jazz-Locations vor, die wichtig waren – und es hoffentlich bleiben.

(Anm. d. Verf.)

1949 – Birdland New York, 1985 – Birdland Hamburg

Die Inschrift rechts von der Theke zeugt von Selbstbewusstsein. Der Architekt und Hobbymusiker Dieter Reichert ließ sie anbringen, nachdem er den Jazzkeller in seinem Mietshaus im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel nach dem berühmtesten Jazzclub der Welt genannt hatte. „Das ist unser Segelboot“, sagte er vor einigen Jahren in einem Interview. So wie sich manche eine Yacht halten, würde er sich seinen Jazzclub gönnen.

Tatsächlich lief der Laden in der Gärtnerstraße zeitweise wunderbar. Im Birdland an der Elbe gastierten US-Stars wie Chet Baker, Art Blakey, Johnny Griffin, die Marsalis-Brüder und Brad Mehldau. Was Diana Krall an die Wand kritzelte, ist heute noch nachzulesen: „One of my favourite clubs“. Die Inschrift der Sängerin prangt zwischen Portraits von Jazz-Ikonen; Reicherts Frau Heide malte die Bilder für die holzgetäfelten Wände des Keller-Clubs.

Das Birdland füllte die Lücke, die das Ende Dezember 1985 geschlossenen „Onkel Pö“ hinterlassen hatte. Es wurde eine der Spielstätten in der Serie „Rising Stars“, die aufstrebende amerikanische Musiker nach Europa brachte. Zu den internationalen Höhepunkten kamen Konzerte vom lokalen Bands und mittwochs Jam Sessions für Sänger*innen, für Instrumentalisten am Donnerstag. Dieter Reichert fand eine solide Basis für sein Hobby: Er gründete die Jazz Federation Hamburg, einen Förderverein mit rund 700 Mitgliedern, die monatlich einen Beitrag zahlten und dafür freien Zutritt zu den Birdland-Veranstaltungen hatten.

Jazzfederation Hamburg Gründung

In dem Club konnte man junge Talente erleben, Freunde treffen, ins neue Jahr hinein feiern. Ich erinnere mich an ein Silvester mit einem von Herb Geller und Wolfgang Schlüter gebildeten Quintett. Im Laufe der langen Nacht kamen etliche Kollegen der beiden Stars vorbei und stiegen ein. Für die Hamburger Jazz-Gemeinde war das Birdland eine Heimstätte. Deshalb war die Ankündigung der Schließung zum 30. Juni 2013 ein Schock. Tatsächlich war die Bedeutung des Jazz’ zurückgegangen, das idealistische Ehepaar Reichert war älter geworden. In lokalen Medien, aber auch in überregionalen Publikationen erschienen schon Nachrufe.

Dass der Club ein gutes Jahr später wieder aufmachte, war eine Folge der Reichertschen Familien-Konstellation. Dieter und Heide haben zwei Söhne, die mit dem Club aufgewachsen sind. Ralph lernte Saxofon, sein jüngerer Bruder Wolff Schlagzeug. Beide studierten an der Hochschule für Musik und Theater und entschieden sich für den Beruf des Jazzmusikers. Kein leichtes Leben – aber gut für das Fortbestehen ihrer Musik. Ganz allmählich erweiterten die jungen Reicherts nach der Neueröffnung das Programm und ermöglichten dank der Zusammenarbeit mit der Bar Freundlich+Kompetent auch Pop-nahe Konzerte. Zusätzliche Ermutigung: ein Club Award „Konzert des Jahres 2015“ für einen Auftritt des Trios Larry Goldings (Orgel), Peter Bernstein (Gitarre) und Bill Stewart (Schlagzeug).

Das Birdland war auf einem guten Weg, als Corona zuschlug. So lange wie möglich lief der Betrieb weiter. Im Oktober gab es noch regelmäßig Konzerte, obwohl statt regulär 150 Gästen nur noch 35 Besucher*innen über den langen, schmalen Treppenzugang in den Keller kommen durften. Beim letzten Konzert spielte das Quartett der Klarinetten-Aufsteigerin Samantha Wright, einer jungen Britin, die inzwischen in Hamburg einen Lehrauftrag hat. Am Schlagzeug: Wolff Reichert. Als neuer Verantwortlicher für den Traditionsclub hat er ausgefallene Termine auf 2021 verschoben und attraktive Konzerte vorbereitet. In der Zwischenzeit übt Wolff im verwaisten Jazzkeller auf seiner Schießbude und unterrichtet von hier aus den Schlagzeugnachwuchs.

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