Was wär ich
Ohne dich,
Freund Publikum
All mein Empfinden Selbstgespräch,
All meine Freude stumm.
Johann Wolfgang von Goethe
Museen, Läden und sogar Friseursalons haben geöffnet, die Kultur bleibt außen vor. Warum es für die Clubs schlecht aussieht, wenn sie nicht im Herbst halbwegs auf Normalbetrieb laufen können und was Künstler*innen Hoffnung macht, hat Jan Paersch aufgeschrieben. Und plädiert dafür, dass die Stadt Hamburg größere Summen für die Kulturszene bereit stellt.
Es hängt am Kühlschrank, als stumme Erinnerung an bessere Zeiten: das Ticket für das finale Elbphilharmonie-Konzert vor dem Shutdown. Das letzte große Jazzkonzert in Hamburg. Zweieinhalb Monate ist der berauschende Auftritt des Brad Mehldau Trio nun her. Seitdem ist in der Kulturbranche kaum etwas passiert. Seit Wochen sind Cafés und Restaurants geöffnet, nun sogar Spielhallen und Wettbüros, doch noch immer hat in Hamburg niemand definiert, was eine der verbotenen Großveranstaltungen ausmacht. Ein Festival mit 1500 Besuchern? Ganz sicher. Aber eine Open-Air-Aufführung mit 200 Menschen?
Natürlich – solange die Kontaktverbote bestehen, ergibt eine Definition wenig Sinn. Aber Planungssicherheit sieht anders aus. Gerade erst hat Knust-Booker Dirk Matzke im Abendblatt erläutert, wie es unter Auflagen in seinem Club aussähe. Kapazität: 50 statt 500. Veranstalter*innen würden so unmöglich schwarze Zahlen schreiben können. Matzke fürchtet, dass das Knust den Herbst trotz Miet-Stundungen nicht überleben wird.
Gottesdienste unter freiem Himmel wurden gerade gestattet, und „bald“ dürften Live-Kulturveranstaltungen mit bis zu 50 Personen open air stattfinden, wie es ominös auf ndr.de heißt. Auch das verspricht niemandem auch nur minimale Gewinne. Doch es ist ein erster Hoffnungsschimmer. Das Reeperbahn Festival will Ende September mit „individuellen Umsetzungskonzepten“ an den Start gehen, die ökonomische Komponente allerdings „komplett ausblenden“. Das muss man sich leisten können. Die Monatsmiete für einen Musik-Club beläuft sich oft auf einen fünfstelligen Betrag – der größte Kostenfaktor für die Betreiber*innen. Eine Stadt, die auch in kommenden Jahren eine vorzeigbare Kulturszene will, sollte hier unbürokratisch einspringen – und notfalls betroffenen Clubs bis 2021 die Miete zahlen.
Derweil macht Mut, dass bei der Aktion „Keiner Kommt“ mehr als 400.000 Euro für die Hamburger Kulturszene gesammelt wurde. Im Jazz ermuntert uns, neben den zahlreichen Streaming-Aktivitäten, die Idee von Eva Johansen. Die Betreiberin des Jazzraums im Hafenbahnhof hat eine „Jazzvisite“ initiiert. Wer 300 Euro für ein Duo oder 450 Euro für ein Trio plus Fahrgeld aufbringen mag, kann Musiker*innen für seinen Innen- oder Hinterhof buchen; abhängig von der Größe sind sogar Terrassen oder Balkone möglich. Pfingstsonntag findet der erste Open-Air-Gig statt, weitere sind in Planung. Wer nicht ganz so viel ausgeben mag, kann ein Maske zum Soli-Preis von 12 Euro erstehen – sobald genügend Geld beisammen ist, wird eine Jazzvisite für ein Altersheim oder Krankenhaus initiiert. Interessierte melden sich unter kontakt@jazzraum.de.
All das sind erste, kleine Initiativen, die hoffentlich zu Größerem führen. Denn wie sagte es Bundespräsident Steinmeier Anfang Mai: „Kunst und Kultur sind keine verzichtbaren Nebensachen. Sie sind, in einem sehr buchstäblichen Sinn, Lebensmittel.“