©Alex Lienerth

Songs wie Tattoos – “Joni” von Summerfield & Duppler

Das Album “Joni” besteht aus 8 ausgewählten Songs der kanadischen Singer-Songwriter Legende Joni Mitchell. Eine Annäherung an ein solches Werk kann schief gehen. Robert Summerfield und Lars Duppler gelingt jedoch eine intime und aufrichtige Hommage, die tief gräbt und berührt. JM Autor Matti Kaiser ist in der neuen Platte versunken und empfiehlt einen Konzertbesuch .

Als Joni Mitchell im Sommer 2022 nach beinahe 15-jähriger Konzertabstinenz die Bühne des Newport Folk Festivals betritt geht ein Raunen durch die Menge. Inzwischen ist Mitchell fast 80 Jahre alt und von Krankheiten schwer gezeichnet. Auf der Bühne stehen lauter prominente Gesichter, die sich vor Rührung nur schwer zusammenreißen können. Dass sie noch einmal mit der großen Joni Mitchell die Bühne teilen können, damit hätte angesichts ihres instabilen Gesundheitszustandes wohl niemand gerechnet. Als die ersten Töne über das Festivalgelände klingen und Joni Mitchell umringt von einer Schar befreundeter Musiker:innen auf ihrem Sessel über die Menschenmassen blickt, dann hat das fast etwas von Gottesdienst. Man merkt: Diese Frau hat nicht einfach nur Songs oder Melodien geschrieben. Ihr Werk hat Menschen tief berührt. Und tut es bis heute.

„Songs are like tatoos“… – Joni Mitchell, BLUE (1971)

Sich einem solchen Werk anzunehmen verlangt Mut. Dabei kann man viel falsch machen. Jedoch auch viel richtig. Auf ihrem Album “Joni” nähern sich Sänger Robert Summerfield und Pianist Lars Duppler dem beinahe allmächtig erscheinenden Werk von Joni Mitchell mit großer Hingabe, Einfühlsamkeit und Können, jedoch nie mit Angst. Ausgewählt haben die beiden Musiker ihre persönlichen Favoriten, die besonders die frühe Phase Mitchells porträtieren. “Both Sides Now”, “Blue” oder auch das Leonard Cohen gewidmete “A Case Of You” dürfen genauso wenig fehlen wie “Song To A Seagull” vom ersten Album der kanadischen Künstlerin.
Intim geht es zu. Der Klavierhocker von Duppler knackt, Summerfields Stimme wirkt näher als die Muschel der eigenen Kopfhörer und das schwelgerische Saxophon von Dennis Gäbel bohrt traumwandlerische Akzente in die Gehörgänge. Die Stimme von Robert Summerfield scheint wie geschaffen für die Songs. Problemlos windet er sich in Höhen, nur um im nächsten Moment tief zu fallen. Er haucht, ächzt und legt so den Kern der Songs frei. Das Spiel von Duppler lässt ihm dafür Zeit.

Es sind reduzierte Arrangements, die allein von Piano und Stimme getragen in die Tiefen der Songs von Mitchell vordringen und den poetischen Texten mit zeitlos-traurigen Melodien genug Raum zum Atmen geben. Das ist die große Leistung, die Summerfield & Duppler auf dem Album “Joni” schaffen: Mut zur Reduktion. Sie erfinden keine Melodien, wo keine sind. Sie benötigen keine Spielereien. Ihnen reicht Aufrichtigkeit – gegenüber sich selbst und den Songs. Nicht mehr und nicht weniger. Es sind nun einmal Lieder für die Ewigkeit. 

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 Am 21.1. gastierten Summerfield & Duppler mit ihrem Album “Joni” in der Halle 424, in Hamburg, und gerade sind sie auf Tour.
Das Album ist bei Herzog Records/Hamburg erschienen.

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