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©Emily Dennison - Trompeter: Matthew Halsall
©Thomas Elsner - Band: Web Max feat. Max Herre
©Fabrice Bourgelle - Act: Salami Rose Joe Louis
©Michael Wong - Band: FAZER
©Chris Almeida - Saxophonist Alabaster DePlume
©Anne Backhaus - Act: Florence Adooni & Erobique

„Ein Festival für Music Lover“ – das Überjazz Festival auf Kampnagel

Das Überjazz Festival ist zurück. Das zweitägige Hamburger Event operierte immer schon an den Rändern des Jazz, mit internationalen Acts zwischen R&B, Soul, Ambient, elektronischen und Outernational Sounds.Künstlerischer Leiter ist Heiko Jahnke, DJ und Booker bei der Konzertagentur Karsten Jahnke. Am 3. und 4. November 2023 findet sein Festival nun erstmals seit 2019 wieder parallel in mehreren Hallen der Kulturfabrik Kampnagel statt. Headliner sind Trompeter Matthew Halsall und Saxophonist Alabaster DePlume (erster Hamburg-Gig!), dazu der angesagte Drummer/Producer Kassa Overall und ein neues Projekt von Allround-Genie Carsten Meyer aka Erobique. Heiko Jahnke über Künstler-Ansprüche und das heutige Jazz-Verständnis.

Heiko, das Konzert-Business hat sich in den letzten vier Jahren stark verändert, oder?

Wo soll man da anfangen? Die Kosten sind in allen Bereichen gestiegen. Das betrifft nicht nur das Veranstaltungsgeschäft. Ticketpreise sind oft zu hoch. Und nach wie vor entscheiden sich die Leute erst kurzfristig zu einem Konzertbesuch. Die Beyoncés dieser Erde sind davon nicht betroffen, aber wir reden ja über Musik, die in Nischen stattfindet. Wir haben auf vermeintlich dicke Namen immer verzichtet. Wir hatten eine Größe wie Thundercat schon zwei Mal zu Gast – so jemanden können wir heute nicht mehr bezahlen.

Planen die Künstler*innen selbst ähnlich kurzfristig?

Wir haben erst vor ein paar Wochen eine Absage einer Künstlerin bekommen, ohne wirkliche Begründung. Für so ein Verhalten hätte ich früher wohl deutliche Worte gefunden. In diesem Jahr denke ich – fuck it, abhaken, was mache ich stattdessen? Oder: auf einmal möchte eine Band einen Flügel haben, wovon vorher nie die Rede war. Auch nicht einfach, mit Flügeln kann man bei einem kleinen Festival ja nicht um sich werfen.

Kann man mit einem Festival wie dem Überjazz Geld verdienen?

Man kann sich an ein paar Fingern abzählen, dass das Überjazz nicht die große Cashcow im Hause  Jahnke ist. Wir dürfen keine Unsummen in den Sand setzen, aber es geht bei dem Festival sehr ums Künstlerische. Das auf die Reihe zu bekommen – das muss man ein bisschen zaubern. Ich stehe zu 100% hinter dem Lineup, das sind alles tolle Sachen. Aber ich kann auch nachvollziehen, wenn Leute sich die Bands angucken und keine einzige kennen.

Wie erklärt man solchen Leuten das Überjazz?

Worüber reden wir, wenn wir über Jazz reden? Da hat jede*r eine andere Vorstellung. Es ist ein Festival für Music Lover. Man kommt schon auf seine Kosten, auch wenn man sich in ganz anderen Genres verortet. Als wir 2010 anfingen, waren noch mehr Parteien ins Programmatische involviert [der NDR und das Jazzbüro Hamburg, Anm. d. Redaktion]. Ich finde, dadurch drohte es in das Fahrwasser vieler deutscher Jazzfestivals zu geraten. Ein bisschen dies, ein bisschen das – mir fehlte da der rote Faden. Das Endergebnis hatte seine Berechtigung, aber es hat sich nicht wie ein Festival angefühlt, das es so nicht auch anderswo gegeben hätte. Ich wollte die Sachen bündeln, die auf den meisten deutschen Festivals nicht gebucht werden.

Dazu gehören auch die Acts des jungen Münchner Labels Squama, die mit Afro-inspierten Sounds, Ambient, Minimal und reinen Perkussions-Projekten eine völlig eigene Nische besetzen. Beim Überjazz 2023 bekommen sie eine eigene Bühne – bekannteste Band ist das Quintett Fazer.

Fazer ist keine Band, die einem optisch besonders auffallen würde. Das sind tolle Musiker, die sich kein bisschen selbst abfeiern. Die haben sich in wenigen Jahren ein internationales Roster zusammen gestellt – auf einem krassen Niveau. Da ist nichts mittelmäßiges dabei, das muss man erst einmal hinkriegen. Und sie haben einen ganz einmaligen Sound, ein Trademark.

Kann es sein, dass solche nischigen Formen des Jazz beliebter denn je sind, gerade bei Streamingdiensten?

Die Digitalisierung hat angenehme Effekte. Früher musste man,  wenn man Jazzer werden wollte, den ganzen Kanon durchackern. Da konnte es passieren, dass jemand in der Szene alt geworden ist, aber nie Leute wie Aphex Twin gehört hat. Dabei hat sich Jazz immer aus allem gespeist, was drum herum passierte, es war nie ein Planet für sich. Die Jazzmusiker*innen heute sind völlig anders sozialisiert. Die Möglichkeit, sich ein ganzes musikalisches Universum in ein paar Stunden reinzuziehen – dafür hättest du früher Jahre gebraucht. Das hat viel verändert. Diversität ist heute ein Muss. Man kommt mir gewissen Dingen nicht mehr durch, das finde ich absolut begrüßenswert.

ÜBERJAZZ FESTIVAL 2023
Kampnagel, 3. und 4. November
Tickets ab 59 Euro auf
https://ueberjazz.com

Der YouTube Song unterhalbe ist eine Kostprobe von Saxophonist Alabaster DePlume!

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